Neue digitale Ausgabe von ‚Das Ende der Bundesrepublik‘!

23. April 2013

Das eBook Das Ende der Bundesrepublik. Warum Deutschland eine neue Verfassung braucht! erscheint ab sofort beim Perlen Verlag (vorher epubli). Diese erweiterte Gesamtausgabe mit einem neuen Vorwort ist ohne Nutzungseinschränkung (kein DRM) zunächst im Amazon Kindle Shop für nur 2,68 € erhältlich.
Weitere Shops wie Google Play und Apple iTunes Store folgen in Kürze.


Warum deutsche Staatsschulden noch weitere Rekorde brechen werden

27. Juni 2012

Diese Meldung hat es in sich: Trotz guter Konjunktur, niedriger Arbeitslosigkeit, den höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten und erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einer Null-Verzinsung von Bundesanleihen, steigt die deutsche Staatsverschuldung ungebremst weiter: Die 2-Billionen-Euro-Grenze ist geknackt!

WELT und Spiegel berichten von den neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Wie konnte das passieren?

Grundsätzlich ist der Schuldenstand bereits schon lange so hoch, dass er sich praktisch aus sich selbst heraus weiter ernährt. Denn egal was passiert, jedes Jahr kommen 60 bis 70 Milliarden Euro an Zinsen dazu. Man muss sich vorstellen, dass der Staat diesen Betrag nicht einmalig, sondern jedes Jahr wieder einsparen oder zusätzlich einnehmen müsste, damit das Schuldenwachstum aufhört, also ohne dass auch nur 1 Euro getilgt wäre. Doch das Gegenteil passiert. Die Zinslast wird jedes Jahr mit weiteren Schulden bezahlt. Dabei sind die Zinsen noch auf einem historischen Tiefstand. Insgesamt zahlt der Staat nicht mehr als 3,3 % Zinsen für seine Gesamtschulden.

Doch was ist der Staat eigentlich? Er ist ein ‚vielschichtiger Gläubiger‘. Er besteht aus den drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen. Der Bund trägt rund 60% der Gesamtschulden, und nur er kann Bundesanleihen herausgeben. Die sind immer noch mit Triple-A bewertet und neuerdings sind die Anleger im In- und Ausland (Verhältnis ca. 50/50) sogar bereit, dem Bund für 0% Zinsen Geld zu leihen. Das heißt jedoch nicht, dass die gesamte Bundesschuld jetzt zinsfrei ist, sondern nur die jeweils neu emittierten Schuldtitel mit einer Laufzeit von 2 oder 10 Jahren lösen alte und höher verzinste Schuldtitel ab. Es wäre also günstig für den Bund, wenn jetzt, solange die Bundesanleihen als einer der letzten „sicheren Häfen“ für Anleger gelten, möglichst viele ältere, höher verzinste Schuldtitel auslaufen und durch neue, praktisch kostenlose Schuldtitel ersetzt werden können.  Der Zinssatz für die gesamte Bundesschuld beträgt also immer noch etwa 2,8%.

Bei den Ländern, die etwa 30% der Staatsschulden tragen, sieht die Sache anders aus. Denn sie können sich nicht wie der Bund im Moment zu 0% weiter verschulden. Für sie liegen die Zinsen zwischen 4 und 5% (was immer noch erheblich niedriger ist als in den 1980er und frühen 1990er Jahren), und zwar sowohl für die alten als auch für die neuen Schuldtitel. Deshalb haben mehrere Bundesländer kürzlich eine Initiative für „Deutschlandbonds“ gestartet, weil sie von der besseren Bonität des Bundes profitieren wollen.   Diese Deutschlandbonds wären sozusagen die Vorstufe zu den „Eurobonds“, die zu Angela Merkels Lebzeiten ja nicht kommen werden. Das hat sie geschworen

Ganz finster wird es bei den Kommunen. Sie tragen zwar nur 6% der Staatsschulden, doch sie leben, wenn man sie wie einen Privathaushalt betrachtet, ganz aus dem Dispo oder haben den sogar schon überzogen. Das heißt, sie zahlen den Sparkassen, Geschäfts- und Landesbanken 5 bis 6% an Zinsen.

Das Ergebnis ist, dass fast alle Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen in den roten Zahlen sind. Wenn ein Haushalt eine schwarze Null schreibt, kommt er schon in die Presse. Auf diese verschuldeten Haushalte treffen nun jedes Jahr neue, zusätzliche Ausgaben, für die es keine Rücklagen gibt. Es sind die Pensionen und Versorgungsleistungen für ehemalige Beamte. Es geht um derzeit 45 Milliarden Euro pro Jahr, wobei dieser Betrag wegen der wachsenden Zahl an Pensionären jedes Jahr weiter steigt. Diese zusätzlichen Ausgaben müssen von bereits verschuldeten Haushalten geleistet werden, vor allem der Länder, die wiederum weitere Schulden aufnehmen müssen, um die Pensionen überhaupt bezahlen zu können. Das bedeutet, dass zu der eigentlichen Versorgungslast noch die Finanzierungskosten dazukommen.

Das sind die wichtigsten Mechanismen, die dafür sorgen, dass die Bundesrepublik aus der Staatsschuldenfalle nicht mehr rauskommt. Kein Wunder also, dass Marc Hansmann, der Stadtkämmerer von Hannover, in seinem neuen Buch Hpyerinflation oder eine Staatsinsolvenz empfiehlt. Ich empfehle dagegen ein geordnetes Ende der Bundesrepublik, denn die Schulden sind doch nur Ausdruck einer viel tieferen institutionellen und politischen Krise, weil der Sozialvertrag der Bundesrepublik, ihr Grundgesetz, schon längst ausgelaufen ist. Das will nur noch niemand wahrhaben.


Er hat’s kapiert: Schäuble hält neue Verfassung für notwendig

23. Juni 2012

Na endlich, es geht los! Wolfgang Schäuble räumt ein, dass er lange gebraucht hat, um es einzusehen, aber jetzt weiß er, dass es bald soweit sein wird: Die Bundesrepublik braucht eine neue Verfassung! Wozu? Nicht etwa, um die kaputten Institutionen und das kranke System der Bundesländer grundlegend zu reformieren; auch nicht, um wieder mehr Vertrauen in der Bevölkerung  für die Politik zu gewinnen und etwa die Beamten aus der Politik rauszuschmeißen, wo sie nichts zu suchen haben; nein, es geht vor allem darum, mehr Kompetenzen nach Brüssel auf die EU-Ebene zu verschieben. Hier ist der Artikel dazu im Spiegel-Online. Das kann ja lustig werden. Denn ich sehe schon, dass aus seinem Ministerium oder der Regierung derselbe Stuss kommen wird, den einst Stoiber und eine Initiative der Grünen-Basis verbreitet hat, nämlich dass es einen Verfassungskonvent mit einem begrenzten Mandat geben soll. Hier ein bisschen rumdoktoren, dort ein paar Artikel hinzufügen, aber den Rest schön in Ruhe lassen. Ich verstehe nicht, wie Stoiber und bestimmt bald auch Schäuble, beide Juristen mit langer politischer Karriere, so ignorant sein können, dass sie die Grundregeln des Verfassungsrechts und der europäischen Rechtsphilosophie nicht kennen. Egal, jedenfalls bewegt sich jetzt etwas. Zwar aus den falschen Gründen und mit den falschen Zielen, aber was nicht ist kann ja noch werden. Jedenfalls ist das bisher erste und einzige Buch, dass diese Situation seit 20o8 vorgesehen und sich mit dieser Materie gründlich beschäftigt hat, eindeutig Das Ende der Bundesrepublik. Warum Deutschland eine neue Verfassung braucht! 


Vor dem dritten Staatsbankrott?

22. Mai 2012

So lautet der Titel eines neuen Buches von Marc Hansmann, Stadtkämmerer von Hannover. Der Untertitel „Der deutsche Schuldenstaat in historischer und internationaler Perspektive“ deutet auf ein eher akademisches Werk hin, doch Hansmann zieht drastische Schlüsse. Denn die Frage, die den Titel ausmacht, bejaht er uneingeschränkt. Er empfiehlt Super-Inflation oder eine Staatsinsolvenz der Bundesrepublik. Ich habe das Buch noch nicht gelesen, doch Gustav Seibt hat das für uns in der SZ schon einmal getan. Mehr dazu hier beim Perlentaucher.


Die deutschen Postdemokraten I

21. Februar 2012

In lockerer Folge werde ich ab jetzt über die deutschen „Postdemokraten“ berichten. Der Begriff stammt von dem britischen Soziologen Colin Crouch. Sein Buch Post-Democracy (2004) habe ich im Oktober 2007 auf meinem englischen Japan-Blog besprochen. Ich hatte dann 2009 versucht, bei seinem Verlag die Übersetzungsrechte zu bekommen, aber der Zuschlag ging an Suhrkamp.

Um meine Position zum Thema Postdemokratie gleich deutlich zu machen, zitiere ich aus Das Ende der Bundesrepublik, Anfang von Teil II, Therapie: Eine neue Republik:

„Es gibt einen Weg, den inzwischen einige Intellektuelle und politische denkende Menschen zu gehen bereit sind, zumindest in der Theorie. Sie empfinden die Krise der Bundesrepublik als eine Krise der parlamentarischen Demokratie insgesamt, weil diese veraltete Gesellschafts- und Herrschaftsform sich als untauglich erweist, den Herausforderungen des globalen Kapitalismus, der modernen Technologien und des Informationszeitalters zu begegnen. Sie sehen uns an der Schwelle zu einem anderen, einem postdemokratischen Zeitalter und suchen deshalb aktiv nach Alternativen zur Demokratie. Die von diesem Ansatz freigesetzten Impulse könnten radikal und eventuell höchst lehrreich sein, auch dort wo sie scheitern, und ich habe nicht vor, ihnen ihre Berechtigung abzusprechen. Eine besonders kluge und nüchterne Analyse des Niedergangs der westlichen Demokratien findet sich in dem Buch Postdemokratie von Colin Crouch. Er beschreibt die Invasion des wirtschaftlichen und spezifisch wirtschaftsliberalen Denkens und Handelns in allen Sphären der Politik und die zunehmende Unfähigkeit der Bürger, sich in diesem von den Medien kommerzialisierten und entpolitisierten Milieu überhaupt noch ein politisches Urteil bilden zu können. Im postdemokratischen Zeitalter besteht die alte Demokratie mit den meisten ihrer Institutionen weiter, doch das Zusammenspiel von massivem Wirtschaftslobbyismus und wachsender Wählerapathie hat revolutionäre Prinzip und Potential der Demokratie entkernt und lässt das politische System nur noch das bestätigen, was schon längst beschlossene Sache ist. Crouch sucht daher nach Wegen, wie man diese unvermeidliche Entwicklung mildern und bremsen kann. Dazu müssen Alternativen zur Demokratie in Betracht gezogen werden.

Die Demokratie soll hier genauso wenig sakralisiert werden wie das Grundgesetz und es ist durchaus denkbar, dass man auf diesem experimentellen Weg zu völlig unerwarteten, anschlussfähigen Ergebnissen kommt. Doch ich bleibe mit meinen eigenen Vorschlägen, ganz so wie auch Colin Crouch, innerhalb des Paradigmas der parlamentarischen Demokratie. Denn entscheindend ist doch, ob sich die postdemokratische Herrschaft noch mit Individualität und Freiheit nicht nur verzieren, sondern vielmehr begründen lassen kann. Der demokratische Parlamentarismus scheint mir das besser zu gewährleisten als jede andere Form des Politischen. Er ist noch nicht so erschöpft wie einige vermuten, es gibt da noch einige unausgespielte Varianten. Wir haben in Deutschland gerade einmal 70 Jahre demokratischer Erfahrung, in den Neuen Bundesländern sind es sogar weniger als drei Jahrzehnte. Es scheint also ein bisschen früh um sich von der Demokratie zu verabschieden.“

Der Historiker Heinrich August Winkler (Der lange Weg nach Westen, 2000, sehr gutes Deutschland-Portrait in zwei Bänden) hat im Cicero 2/2012 unter dem Titel Die verachtete Republik  eine kleine Tour d’horizon zum Thema deutsche Postdemokraten und ihre Vorgänger gemacht. Nicht, dass ich alles darin für richtig halte, denn er ist mir viel zu sentimental-altbundesrepublikanisch. Überraschenderweise kommt er am Ende seines Essays zu dem Schluss, dass wir eine neue Verfassung brauchen – aber nur, um uns in Europa besser einzufügen.

„Wenn sich die EU zu einer europäischen Föderation weiterentwickelt, muss das deutsche Volk seine Verantwortung als „pouvoir constituant“, als Verfassungsgeber, wahrnehmen: Es wird aufgerufen werden, nach Artikel 146 des Grundgesetzes über eine neue Verfassung, ein im europäischen Sinn überarbeitetes Grundgesetz, abzustimmen. Dieser Akt von direkter Demokratie ist ebenso legitim wie notwendig: Er legt den Grund für eine Ausweitung des Prinzips der repräsentativen Demokratie auf die Europäische Union. Deutsche Intellektuelle täten gut daran, auf dieses Ziel hinzuarbeiten, anstatt sich Wunschträumen von der angeblich wahren, unmittelbaren Demokratie hinzugeben – und darüber zu vergessen, in wessen Fußstapfen sie treten, wenn sie dem alten deutschen Unbehagen an der repräsentativen Demokratie neue Nahrung geben.“

Hier erweist Winkler sich als ein Laie in Verfassungsfragen. Genauso wie Bündnis90/Die Grünen, die auf der Bundesdeligiertenkonferenz im November 2011 als erste Partei einen Antrag der Basis angenommen haben, dass Deutschland eine neue Verfassung bekommen solle. Klingt toll, es ist aber derselbe Unsinn wie bei Winkler, denn sie wollen eine neue Verfassung nur machen, um Deutschland „besser in Europa aufgehen zu lassen“. Das Problem ist hierbei nicht einmal so sehr, ob das ein wünschenswerter Anlass oder ein erstrebenswertes Ziel ist – bereits das bezweifle ich stark -, sondern dass die ganze Vorstellung auf der Unkenntnis des rechtsphilosophischen Konzepts des Pouvoir constituant beruht, der verfassungsgebenden Gewalt. Denn es ist europäische Theorie und Praxis, dass eine verfassungsgebende Versammlung prinzipiell und immer über ein sachlich unbegrenztes Mandat verfügt. Man kann keinen Verfassungskonvent einberufen, der sich par Ordre du Mufti auf Einzelthemen beschränkt, etwa nur den Föderalismus zu reformieren (etwa Edmund Stoiber 2007 – was zeigt, das „Prädikatsjuristen“ durchaus auch „Prädikatsdilettanten“ sein können) oder den Staat und seine Organe besser an die europäische Gesamtordnung anzupassen. Es gibt nur drei Dinge, die der verfassungsgebenden Versammlung vorgeschrieben werden können, nämlich 1.) die personelle Zusammensetzung, 2.) der zeitliche Rahmen und 3.) die Art der Legitimation und Inkraftsetzung ihrer Ergebnisse, z. B. Volksabstimmung.

Ich merke, dass ich hier etwas abgeschweift bin vom Thema Postdemokraten. Darüber nächstes Mal mehr.


Juli Zeh, Ingo Schulze und ich – Drei Interviews zur deutschen Staatskrise

13. Januar 2012

Am 11. Januar wurde ich im Radiosender WDR5 von Reinhard Bieck zum Ende der Bundesrepublik (seit September 2011 in einer 3. überarbeiteten und erweiterten Ausgabe mit neuem Vorwort  als E-Book bei epubli, im Amazon Kindle-Shop und im Apple ibookstore) und zur Notwendigkeit einer neuen Verfassung interviewt. Das Thema des Tages war „Zeitenwenden“, und mein Beitrag lief unter dem Titel

Zu viel Krise für die Demokratie?

Eine neue Verfassung wäre eine Lösung

Die Redaktion war durch meinen Essay Die deutsche Status-Quo-Diktatur in der WELT vom 18. September 2009 auf meinen Namen gestoßen. Die Redakteurin meinte, sie sei entsetzt, denn alle Prophezeiungen in meinem Essay seien eingetreten. Das Interview dauerte keine 7 Minuten und wurde aufgezeichnet, aber die Situation war angenehm, den Bieck saß in Köln im Studio und ich im ARD-Hauptstadtstudio, sodass nicht nur die Tonqualität sehr gut geworden ist. Ich konnte mich auch gut konzentrieren, denn ich saß mit Kopfhörer und geschlossenen Augen vor dem Mikro und hatte das Gefühl, das Gespräch finde in meinem Kopf statt. Eine Frage wurde wohl aus Zeitgründen gekürzt. Hier die sinngemäße Wiedergabe:

Bieck: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass wir auf eine politische, soziale und wirtschaftliche Katastrophe zusteuern. Wo ist die aber bitteschön? Wir haben uns im Vergleich mit den Nachbarländern hervorragend gehalten in der Euro-Krise.

R.G.: Ach wissen Sie, mit Vergleichen ist das so eine Sache. Wenn wir uns mit Uganda vergleichen, dann stehen wir sicher glänzend da. Und es ist sicher nicht die Politik, der das Verdienst in der Euro-Krise zukommt, sondern einer kurzfristigen wirtschaftlichen Erholung. Ein anderes goldenes Kalb, um das wir tanzen sollen, ist das Wachstum. Das soll alle anderen Krankheiten der Bundesrepublik heilen. Doch die Wahrheit ist, dass wir schon lange kein echtes Wachstum mehr haben, denn das ist alles mit wachsenden Staatsschulden finanziert. Das letzte Jahr, in dem das Bruttoinlandsprodukt stärker gewachsen ist als die Schulden, das war 1994. Unser Wachstum ist nur eine große Simulation. Und das dicke Ende dieser Orgie kommt unausweichlich, denn der größte Teil der deutschen Staatsschulden liegt nicht in der Vergangenheit mit den öffentlich anerkannten 2 Billionen Euro, sondern in der Zukunft, wo weitere 3 bis 5 Billionen Euro Schulden dazukommen.

Erfreulicherweise beschäftigen sich inzwischen auch prominente Intellektuelle mit diesen Themen, jeder auf seine Weise. Der Schriftsteller Ingo Schulze, dessen frühere politischen Kommentare mich angenehm überrascht hatten – denn meistens sind Schriftsteller politische Dilettanten – hat in der Süddeutschen Zeitung einen langen und sehr guten Artikel unter dem Titel Kapitalismus braucht keine Demokratie  veröffentlicht. Zu seiner These, wir seien schon in der Post-Demokratie angekommen, ist er auch im Deutschlandradio ausführlich interviewt worden. Im selben Sender hat die Schriftstellerin Juli Zeh darauf geantwortet und gemäß ihrer juristischen Ausbildung auf das Thema „Demokratie ist nur ein Verfahren“ verkürzt, um Ingo Schulzes post-demokratische Verve etwas auszubremsen. In vielen Punkten stimmt sie ihm jedoch zu. Auf die Idee, dass alles mit dem Grundgesetz zusammenhängt und die Lösung nur eine neue Verfassung nach Artikel 146 sein kann, sind beide noch nicht gekommen.

Doch insgesamt verändert sich die Stimmung langsam und die These von einem guten Ende der Bundesrepublik, nämlich auf dem Wege der Gründung einer neuen, einer Dritten Republik in Deutschland, gewinnt an Plausibilität.


Demokratische Revolution in „Teneriffa EXIT“

5. September 2011

Ich habe ein Art Cameo-Auftritt in Bernd Heibers Love-Romance-Berlin-Thriller Teneriffa EXIT, einem wunderschönen und poetischen Kinofilm, in dem ich mich selbst bei einer meiner Redeproben für die Auftritte vor dem Brandenburger Tor spielen durfte. Die Rede ist völlig improvisiert, ich hatte keinen Text vorbereitet, und wir haben sie nur ein mal gedreht.

Website: www.teneriffa-exit.de
Filmtrailer
Mein Auftritt

Viel Spaß damit!


Vorwort zur neuen digitalen Ausgabe im September 2011

31. Juli 2011

Im September 2011 wird Das Ende der Bundesrepublik bei epubli, im Amazon Kindle-Shop und im Apple ibookstore als eBook veröffentlicht. Wie man eBooks auch ohne spezielle Lesegeräte (iPad, iPhone, Kindle oder diverse eReader) lesen kann, erfahrt ihr hier. Es gibt eine KOMPAKT-Version für 2,99 EUR (ca. 110 Buchseiten) und eine dreimal umfangreichere INTEGRAL-Version für 8,99 EUR (318 Buchseiten), während die PRINT-Version bei Amazon weiterhin 18,90 EUR kostet. Auch der Untertitel ist neu: „Warum Deutschland eine neue Verfassung braucht“. Es wurde mir von klugen Leuten geraten, damit einerseits die Botschaft und die Zielsetzung des Buches klarer zu signalisieren, andererseits dem Haupttitel etwas von seinem pessimistischen Klang zu nehmen, denn es ist schließlich die Streitschrift eines beinharten Optimisten. Im Folgenden das Vorwort zu dieser neuen digitalen Ausgabe.

Das Ende der Bundesrepublik

Warum Deutschland eine neue Verfassung braucht

Vorwort zur digitalen Ausgabe, August 2011

In diesem Buch geht es um die facettenreiche, komplexe und tief verwurzelte Krise der Staatsform „Bundesrepublik“, ihrer wichtigsten Institutionen und des gesamten politischen Systems. Die These, die ich hier vertrete, ist im Grunde ganz einfach: Damit die Krise nicht zur Katastrophe wird, muss Deutschland sich neu gründen und begründen. Deshalb sind die wichtigsten Kapitel auch der einzigen Maßnahme gewidmet, die Aussicht auf Erfolg hat, dieses Ziel auf friedlichem Wege zu erreichen. Es geht um die die Ablösung des Grundgesetzes und die Schaffung einer neuen Verfassung, die durch eine Volksabstimmung legitimiert wird. Das wäre eine demokratische Revolution. Sie würde nicht weniger bedeuten als die Gründung einer neuen Republik, der Dritten Republik in Deutschland. Das ist die optimistische Vision von einem „guten“ Ende der Bundesrepublik. Sie wird immer im Kontrast zum Katastrophenszenario des „schlechten“ Endes entwickelt, dessen Eintreten bislang erheblich wahrscheinlicher ist.

Die KOMPAKT-Version des Buches enthält die Schlüsselkapitel, die zum Verständnis der Forderungen nach einer neuen Verfassung und der damit verbundenen sozialen und politischen Ziele erforderlich sind. Zudem werden darin die entscheidenden organisatorischen Schritte zur Durchführung einer demokratischen Revolution in Deutschland beschrieben. Es geht also, medizinisch gesprochen, im Wesentlichen um die Therapie des Patienten. Wenn Sie das gelesen haben, dann können Sie sich kompetent und anschaulich über Das Ende der Bundesrepublik und die Notwendigkeit einer neuen Verfassung für Deutschland unterhalten.

Die INTEGRAL-Version ist wesentlich gründlicher, ausführlicher dokumentiert und hat etwa den dreifachen Umfang der KOMPAKT-Version. Sie enthält zusätzliche Kapitel, weiterführende Anhänge, eine kritische Untersuchung des Grundgesetzes „Artikel für Artikel“ sowie ein vollständiges Personen- und Stichwortregister. Sie finden darin, wieder medizinisch gesprochen, die komplette Krankengeschichte der Bundesrepublik, die Diagnose der einzelnen Symptome und einen vollständigen Therapieplan. Die Analysen der entscheidenden Fehlentwicklungen vor ihren jeweiligen politischen, sozialen, historischen und finanziellen Hintergründen führen Sie in die entlegensten Ecken des Labyrinths, in das Deutschland sich seit 1948 eingemauert hat. Zu vielen dieser Orte ist noch nie das Licht der kritischen Öffentlichkeit vorgedrungen, und an einigen hausen schon seit längerem ausgewachsene Monsterprobleme, die nur auf ihre Zeit warten. Wenn Sie das Buch in dieser Fassung lesen, dann erfahren Sie mehr über Ihr Land als die meisten Politiker, Politikwissenschaftler oder die Medien Ihnen verraten könnten. Es ist nicht weniger als ein Handbuch zur Neugründung der Republik. Wenn Sie es ausgelesen haben, dann wissen Sie alles, um ein bekennender und kompetenter demokratischer Revolutionär zu werden.

Der Stil des Buches ist, trotz all der in ihm verdichteten Analysen, Informationen und Reflexionen, über weite Strecken frech, zuspitzend und polemisch geschrieben. Ausgeteilt wird in alle Richtungen, und selbst von einer so angesehenen Institution wie dem Bundesverfassungsgericht wird nicht viel mehr übrigbleiben als das Portrait eines kleinen, demokratisch fragwürdigen Pseudo-Diktators.

An dem Thema des Buches arbeite ich seit 2003. Zunächst sollte es 2005 erscheinen, doch dann kam die Große Koalition und alle dachten, jetzt werden endlich die wichtigsten Probleme unseres Landes gelöst. Was geschah? Nichts. Die Regierung hatte alle Hände voll zu tun mit der Finanzkrise. Auf deren Höhepunkt Ende 2008 schloss ich das Manuskript während eines einjährigen Aufenthalts in Japan vorläufig ab. Das Superwahljahr 2009 mit den Feiern zum 60. Jubiläum des Grundgesetzes lieferte dann natürlich reichlich Stoff für die aktualisierte, erweiterte und verschärfte Neuauflage im März 2010. Denn da war bereits klar, dass meine Annahmen von 2008 noch viel zu optimistisch waren und die Zeit für die Bundesrepublik erheblich schneller abläuft, als ich gedacht hatte. Die ganze Publikationsgeschichte, Videos, Rezensionen, Interviews und relevante Artikel zum Thema finden Sie auf dem Blog www.bundesrepublik.wordpress.com  und auf der Website dieses Buches www.ende-der-bundesrepublik.de. Dort ist auch die Szene aus dem Love-Crime-Romance-Kinofilm Teneriffa EXIT (www.teneriffa-exit.de) von Bernd Heiber zu sehen, in der ich den demokratischen Revolutionär bei einer Redeprobe im Berliner Mauerpark gebe.

Was ist seit dem Erscheinen der 2. Auflage passiert? Lassen Sie mich nur kurz die wichtigsten Ereignisse beleuchten, die unmittelbar mit unserem Thema zu tun haben. Die folgenden Bemerkungen sollen im Übrigen auch klarstellen, dass es sich beim Ende der Bundesrepublik weder um eine neoliberales, konservatives, linkes oder irgendwie anarchistisches Pamphlet handelt, sondern um eine Streitschrift, der die Demokratie in Deutschland als Ganzes am Herzen liegt.

Im April 2010 wollten die prominenten Partei-Renegaten Wolfgang Clement (SPD) und Friedrich Merz (CDU) die deutsche Öffentlichkeit noch einmal mit ihren wichtigsten Erkenntnissen und Ideen beglücken, indem sie sie für uns in dem Buch Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0 zu einer runden Summe addierten. Doch nach der Lektüre des Buches, einem seitenlangen Interview im Spiegel und einer vollen Stunde zur Primetime im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wurde eine fundamentale Einsicht unausweichlich: Die Summe von Null und Null ist immer gleich Null. Das Repertoire war das Ewigselbe, nämlich Deregulierung, Privatisierungen, Kürzung von Sozialleistungen, Rückzug des Staats und natürlich ungehindertes Wachstum als die Lösung aller Probleme. Es gab nicht eine einzige originelle Idee zu lesen oder zu hören, und den Medien wurde es wohl selbst peinlich, wie viel Aufmerksamkeit sie diesem Machwerk und seinen Autoren spendiert hatten, die letzten Endes doch nur eine wichtige Gemeinsamkeit haben: Sie werden beide maßlos überschätzt. Sogar ARD-Moderator Beckmann, sonst bekannt als nachsichtiger bis wachsweicher Gesprächspartner, verlor die Geduld mit den beiden so überforderten wie holzköpfigen Polit-Senioren, und die Zuschauer haben ihn wohl zum ersten Mal richtig verärgert erlebt.

Viel wichtiger war da Thilo Sarrazins Skandalbuch Deutschland schafft sich ab, erschienen im September 2010. Was kann man dazu noch schreiben? „Das Sarrazinom“ oder „Anderthalb Millionen Fliegen können sich nicht täuschen“? Nein, das haben andere schon getan. Also, keine Gehässigkeiten. Doch das Buch ist schwere Kost und es ist nicht leicht, etwas Gutes darüber zu sagen. In erster Linie werden für den Untergang Deutschlands – in 100 Jahren! – die 6% Bevölkerungsanteil an fortpflanzungsfreudigen und bildungsfernen Moslems verantwortlich gemacht („Eroberung durch Fertilität“), in zweiter Linie die gebärunwilligen deutschen Frauen mit guter Ausbildung („Mehr Kinder von den Klugen, bevor es zu spät ist“). Die deutsche Intelligenz kann sich so nämlich nicht reproduzieren, und deshalb wird unsere verweichlichte Kultur in einer Art arabisch-muslimischer Sintflut untergehen. Das ist keine Übertreibung, das schreibt Sarrazin so. Von dem weiteren Unsinn, den der Autor mit diesem Buch und außerhalb desselben über Humanbiologie und Vererbung verbreitet hat, wollen wir hier gar nicht mehr sprechen. Es ist ein großes Drama, dass in diesem fabelhaft erfolgreichen Politik-Bestseller so wichtige Themen wie Bildung und Einwanderung, die darin über weite Strecken fundiert, kontrovers und spannend erörtert werden – und bei denen in der Tat alle Regierungen seit mindestens dreißig Jahren eklatant versagt haben –, mit der Einfalt und den Ängsten seines technokratischen Autors gekreuzt und auf diese Weise absolut unverdaulich gemacht wurden. Nirgends wird das anschaulicher als auf den letzten Seiten des Buches, im Kapitel „Ein Traum und ein Albtraum. Deutschland in 100 Jahren“. Sarrazin lässt darin die Zügel satirisch schießen und berichtet dabei mehr über seinen psychischen Zustand als über realistische Perspektiven für sein Land. Aus der Sicht des vorliegenden Buches ist Sarrazins Deutschland schafft sich ab völlig nutzlos, denn es bleibt trotz profunder Analysen in allen Lösungsvorschlägen an der Oberfläche der komplexen Problematik. In den Bildungsfragen fabuliert Sarrazin von bundeseinheitlichen Hilfsprogrammen, Prüfungsstandards und Schuluniformen, als ob es den irrsinnigen Bildungsföderalismus nicht gäbe, der tief im Grundgesetz verankert ist. Und nach einem beeindruckenden Maßnahmenbündel für eine bessere Migrations- und Integrationspolitik folgt nur lapidar: „Was vernünftig ist, ist stets auch möglich. Das Grundgesetz ist schon für weitaus unbedeutendere Fragen geändert worden.“ Das war’s mit der Umsetzung. Das zeigt in aller Deutlichkeit die grundsätzliche Politikfremdheit dieses Ex-Spitzenbeamten. Denn was er nicht begreift: Das Grundgesetz wird nur noch für unbedeutende Fragen geändert! Alles, was wichtig für den Erhalt der Parteienherrschaft, der Pfründe etablierter Lobbys und vor allem des öffentlichen Dienstes ist – ganz egal, wie falsch, teuer, dumm und gefährlich es ist –, bleibt unverändert: Das ist das Wesen der Status-quo-Diktatur in Deutschland, der hier ein wichtiges Kapitel gewidmet ist (basierend auf einem Essay in der WELT). Den Zusammenhang seines Bildungs- und Migrationsthemas mit dem bundesrepublikanischen Grundgesetzfetischismus, Föderalismus, Beamtentum und Parteiensystem sieht er nicht. Da, wo es interessant wird, also da, wo sich der Punkt abzeichnet, an dem der Hebel angesetzt werden könnte, da ist Sarrazin mit seinem Latein am Ende. Und jetzt mal ehrlich: Wir werden als Deutsche mit unserer Kultur nicht erst in 100 Jahren wegen mangelnder Lernerfolge und zu fortpflanzungsfreudiger Ausländer untergehen, sondern schon in 10, bestenfalls 20 Jahren, weil unsere Staatsfinanzen zusammen mit dem gesamten sozialen und politischen System kollabieren und Deutschland zu einem internationalen Hartz-IV-Fall machen, um den sich dann China und Indien kümmern müssen. Liebe Leser und Verehrer von Thilo Sarrazins Deutschland-Thesen, so sehr dieser streitbare Autor in mancher Hinsicht und sogar in vielen Details Recht haben mag – es hilft alles nichts: Das bringt uns nicht weiter! Kein bisschen.

Dann schwappte etwas von der politischen Romantik aus Frankreich zu uns herüber. Ich bin grundsätzlich ein großer Freund des republikanischen Politikverständnisses der Franzosen, des Hochhaltens der Tradition bürgerlicher Revolutionen und der Empörung als Quelle politischer Inspiration. Auch die Idee einer demokratischen Revolution mit dem Resultat einer neuen Verfassung ist von meinem Politik- und Geschichtsstudium in Paris inspiriert (dieser Einfluss wird in der INTEGRAL-Version des Buches unter dem Titel „Politische und philosophische Quellen“ lebensnah beschrieben). Doch der verschwörerische, anonyme Kollektivessay Der kommende Aufstand und Stéphane Hessels Streitschrift Empört euch! sind durchweg enttäuschend. Viele Gemeinplätze, wenig Informationen, keine Analysen, keine neuen Ideen und keine Vorschläge. Der kommende Aufstand ist wenigstens noch so konkret, dass darin eine autarke – und bewaffnete! – Lebensweise empfohlen wird, weil sowieso alles den Bach runtergeht, wie die Autoren meinen. Das halte ich allerdings für naiv und völlig unbrauchbar. Hessels Empört euch! ist dagegen sympathischer und mitmenschlicher, aber es bleibt eine klassische Suada, ein wohltuender Wortschwall, der den Lesern einlullt. Ist der Erfolg dieser besseren Flugblätter damit zu erklären, dass die meisten ihrer Leser eigentlich schon viel klüger als deren Inhalte sind und darin nur finden, was sie immer schon wussten? Eines scheint mir jedenfalls sicher: Beide Texte werden völlig wirkungslos bleiben. Es waren nur zwei leckere französische Büffets aus schönen Worten, die schon abgefressen sind.

Die Krise des Euro und inzwischen auch der Europäischen Union hätte nach deren eigenen Regularien und denen der Europäischen Zentralbank niemals passieren dürfen. Sie beschleunigt das Ende der Bundesrepublik dramatisch. Dass die marode Bundesrepublik (Länder, Kommunen, Schulen, Hochschulen, Straßen, Autobahnen …) mit bald 2 Billionen Euro Schulden tatsächlich Bürgschaften und Garantien in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro übernimmt, das hätte ich mir nicht einmal im Traum vorstellen können. Es gibt aus der Politik und den Medien bisher auch keine rationale Erklärung dafür. Ich habe dazu nur eine Hypothese, die gut in den Kontext vom Ende der Bundesrepublik passt: Griechenland und die anderen, noch viel größeren Volkswirtschaften der EU, dürfen nicht Bankrott gehen, weil sich sonst die Schulden aller EU-Mitgliedsstaaten, also auch die der Bundesrepublik, erheblich verteuern würden. Bisher ist allerdings der genau entgegengesetzte Effekt eingetreten, denn mit der Krise des Euro und dem Staatsbankrott der USA sind Staatsanleihen des Bundes so gefragt und so niedrig verzinst wie noch nie. Doch das wird auch bald vorbei sein.

Die Energiewende, die von der Bundesregierung im Anschluss an die Katastrophe in Fukushima 2011 angeschoben wurde, ist in diesem Zusammenhang dagegen eher ein erfreuliches Ereignis. Denn sie zeigte ausnahmsweise die Macht der Politik über die Wirtschaft. Es gibt also noch Gestaltungsspielräume, in denen die etablierten Lobbys sich nicht durchsetzen können. Doch so sehr ich die Entscheidung befürworte, von der Kernkraft Abschied zu nehmen – vor allem wegen des enormen Innovationsschubs, zu dem diese Maßnahme uns zwingt –, so bedenklich finde ich die Art und Weise, wie sie umgesetzt wurde. Selbst Bundespräsident Christian Wulff rügte diese Hinterzimmerpolitik und die Eile, mit der Kanzlerin Merkel die entsprechenden acht Gesetzesänderungen durch das Parlament peitschte. Das Ganze erinnert an die katastrophale Einführung der Hartz-Reformen unter der zweiten rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder, die ebenso wenig erklärt wurden und nicht einmal die volle Unterstützung in den beiden Koalitionsparteien hatte. Ich hoffe trotzdem, dass die Energiewende als eine erfolgreiche Initiative von Bundeskanzlerin Merkel und der schwarz-gelben Koalition in die Geschichte eingehen wird. Wenn auch, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, als die einzige.

Die gravierenden Schuldenkrisen in einer wachsenden Zahl von Staaten waren ebenfalls nicht vorgesehen, jedenfalls nicht so schnell. Wer vor zwei Jahren gesagt hätte, die USA könnten noch vor Griechenland und Irland in den Staatsbankrott schlittern, der wäre für verrückt erklärt worden. In diesem verminten Umfeld sehen die Staatsfinanzen der Bundesrepublik noch solide aus und die ausgegebenen Bundesanleihen rentieren immer noch erstaunlich niedrig. Doch nichts ist, wie es scheint, und das Kapitel „Der unsichtbare Staatsbankrott“ hat kein bisschen an Relevanz verloren. Die Risiken und Hypotheken der Bundesrepublik sind nur besser versteckt als in anderen Ländern. Die oberflächliche Arbeit der inzwischen heftig kritisierten Rating-Agenturen sieht man auch daran, dass in ihren Berichten und Analysen zur Lage der Bundesrepublik nichts über die horrenden impliziten Schulden steht, die wegen der größtenteils noch kameralistisch organisierten Bundes-, Landes- und Kommunalhaushalte nicht in den Büchern stehen.

Abschließend noch ein Hinweis, der auf die klugen Kommentare einiger Leser des Buches zurückgeht. Die Diskussionen um eine neue Wirtschaftsordnung für Deutschland werden in diesem Buch ganz bewusst ausgeklammert. Es gibt zwar eine weit verbreitete und massive Unzufriedenheit angesichts der starken Orientierung von Wirtschaft und Politik an Wachstum, Wettbewerb und Globalisierung, die auch für das Auseinanderdriften von Arm und Reich verantwortlich gemacht wird. Nach einer Emnid-Umfrage vom März 2010 würden 80 Prozent der Befragten in den neuen und 72 Prozent in den alten Bundesländern eine „sozialere“, wenn nicht sogar eine „sozialistische“ Wirtschaftsverfassung bevorzugen. Doch wenn das Grundgesetz von 1948 in einigen Punkten wirklich klug und weise war, dann sind es die so berühmten wie weit auslegbaren Formulierungen, dass „Eigentum verpflichtet“ (Art. 14 GG), die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ (Art. 72 GG) eine Art Staatsziel ist und dass das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) gilt. Damit wurden keine Entscheidungen über das zukünftige Wirtschaftssystem der Bundesrepublik vorweggenommen. In diesem breiten Korridor der Möglichkeiten sollte die Politik und die parlamentarische Gesetzgebung die Wirtschaftsverfassung in eigener Regie entwickeln und über die Jahre auch verändern können. Da sie also kein Problem ist, das direkt mit dem Grundgesetz zusammenhängt, wird sie hier nicht erörtert. Es wäre nur zu wünschen, dass die Verfassung der Dritten Republik in Deutschland diese positive Eigenschaft des Grundgesetzes übernimmt. In diesem Punkt könnte man es mit Charles de Gaulle auch ironisch formulieren, der 1958 in Frankreich die V. Republik gründete und dazu feststellte: „Eine gute Verfassung ist kurz und unverständlich.“

So bleibt nur noch, Ihnen bei der Lektüre vom Ende der Bundesrepublik viel politische Kurzweil und Unterhaltung, vielleicht einige aufgehende Lichter und natürlich einen guten Schuss demokratisch-revolutionärer Empörung zu wünschen.

Reginald Grünenberg

Berlin, August 2011


‚Was zu tun ist!‘ Die Maulhelden Clement und Merz sind wieder da

9. Mai 2010

Die beiden Quertreiber der deutschen Politik, die nur deshalb so überschätzt werden, weil sie mit allem grandios gescheitert sind, was sie angefasst haben, melden sich zurück. Die politischen Herzen der Deutschen fliegen ihnen immer noch zu, man weiß nicht warum. Vielleicht aus demselben Grund, aus dem die politischen Naivlinge der Bundesrepublik auch solche gescheiterten Existenzen wie den größten Technolkraten der deutschen Politik, nämlich Helmut Schmidt, am liebsten gnadenlos überfeiern und zum lebenden Staatsheiligtum verklären.

Merz und Clement haben jedenfalls gemeinsam ein Buch herausgebracht, um auch dem Letzten zu beweisen, dass sie nicht nur nichts gelernt haben, sondern auch keine einzige eigene Idee anbieten können, was denn wirklich zu tun sei und vor allem wie das geschehen soll.  Doch nennen sie ihr formloses Machwerk, ein politisches Fass ohne Deckel, Reifen, Boden oder auch nur eine einzige brauchbare Daube,  ausgerechnet Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0. Dieser Bullshit alleine reicht jedenfalls, um von Presse und Fernsehen wieder maßlos verstärkt zu werden, ohne dass auch nur die Spur eines Zweifels daran aufkommt, ob an diesem Beitrag irgendetwas zu finden ist, das politischer Substanz ähnelt und die Meldung rechtfertigt.

Ganz vorne dabei natürlich wieder der Spiegel. In der Nr. 17 vom 26. April 2010 entblöden die zwei pensionierten Polit-Großmäuler sich nicht einmal, erst zur Revolution aufzurufen, um dann sofort wieder zurückzurudern – und zwar am Pariser Platz in Berlin, genau an der Stelle also, an der die Gruppe ’48 dieses Thema viel mutiger, radikaler und konsequenter angegangen ist:

SPIEGEL: Ist es an der Zeit für eine neue Partei, werteorientiert und reformfreudig? Ihr Buch könnte ja das Gründungsmanifest sein und Sie die Vorsitzenden.
Clement: Ja, genau, wir winken jetzt aus dem Fenster des SPIEGEL am Pariser Platz und rufen
Merz: auf zur Reform-Revolution!
SPIEGEL: Nur zu.
Clement: Im Ernst. Wir wollen zur Kehrtwende und zur entschlossenen Reform aufrufen und keine neue Partei oder neue Republik ausrufen.

Das bekommt man unter dem obigen Titel also bei Herder für 18,95 Euro:
0% Information
0% Unterhaltung
0% Ideen
0% Sex
0% Drugs
0% Rock’n Roll
dafür aber ganze 200 Seiten totes Holz mit Farbe im Schutzumschlag.

Nachschlag

Die beiden verbal inkontinenten Politgreise erhielten am 10. Mai 2010 glatt eine ganze Stunde Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der ARD bei der Labertasche Beckmann. Der ist ja wirklich hart im Nehmen, wenn es um Promi-Bullshit geht, aber bei den beiden Knalltüten ist es sogar diesem zahnlosen Fernseh-Buddha zu blöd geworden, und er zeigte so etwas wie sanften Unwillen angesichts der hohlen Phrasen, die sein Studio wie die Gase aus schlechter geistiger Verdauung einhüllten.


Die Neuauflage ist da! „Das Ende der Bundesrepublik 2.0“

14. März 2010

Wow, das ging schnell! Obwohl die Medien nichts über diesen Polit-Schocker berichten wollten, ist die erste Auflage verkauft. Jetzt habe ich nachgelegt, nachdem ich das Mega-Wahl- und Gedenkjahr 2009 durchlitten, verkraftet und verarbeitet habe. Die „aktualisierte, erweiterte und verschärfte 2. Auflage“ bringt einige Neuheiten und macht hoffentlich noch mehr Spaß beim Lesen. Dazu sollen die Denk- und Lachpausen beitragen, die der großartige politische Cartoonist „Kriki“ beigetragen hat. In letzter Minute habe ich dessen herrlich feinsinnigen Illustrationen entdeckt und er war sofort bereit, an der Neuauflage mitzuwirken.

 Die Neuauflage ist vierzig Seiten stärker und hat einige neue Kapitel:

  • „Vorwort zur 2. Auflage“, das zusammenfasst, was alles Aufregendes seit der Erstauflage passiert ist – und das ist eine Menge!
  • „Die Komplizenschaft der Medien“, eine ausführliche Darstellung des Versagens der Medien im entscheidenden Jahr 2009. Dieses Kapitel hat es in sich, da wird scharf geschossen. Auch hier musste ich mich selbst korrigieren, denn meine Auffassung der Rolle von Presse, Funk und Fernsehen in der Bundesrepublik war nicht nur zu vertrauensseelig, sie war einfach naiv.
  •  „Die Status-Quo-Diktatur“ habe ich extrem verschärft, denn in der ersten Auflage dachte ich noch, dass dieser Zustand noch in einer wenn auch nahen Zukunft liegt – doch das war ein Irrtum: Die Status-Quo-Diktatur hat längst begonnen!
  • „Demokratie ist (auch) Software“ ist ein erster Versuch, die Bedeutung der modernen Kommunikationstechnologien für die Politik abzuschätzen, wobei ich über persönliche Erfahrungen mit der Piraten Partei berichte, die erstaunliche Schritte in eine neue Richtung machen.

So, jetzt bereiten wir uns mit dem Perlen Verlag und unserer neuen Firma Smart Media Technologies auf die Leipziger Buchmesse vor. Am Donnerstag, 18. März, dem ersten Tag der Messe, ist unser unser Großkampftag mit sechs Veranstaltungen (hier).  Hier noch ein schöner Gruß von Christian Groß alias „Kriki“ – mehr davon gibt es in seiner Online-Galerie.